Aufbau einer kompetenzorientierten Kultur: Herausforderungen für die Führungsebene
Unsere jährliche Studie Global Workforce of the Future, die auf einer Umfrage unter 30.000 Arbeitnehmer*innen in 23 Ländern basiert, bietet weitreichende Erkenntnisse. Wir wollten erforschen, was andere Menschen zu einigen der wichtigsten Ergebnisse sagen, um mehr Kontext für unsere Forschung zu liefern. Unsere Umfrage ergab: Beschäftigte wünschen sich, dass Führungskräfte und Management sich stärker für ihre Entwicklung einsetzen, um sie fit für die Arbeitswelt von morgen zu machen. Wir haben untersucht, was dies in der Praxis bedeuten könnte – und warum es so wichtig ist.
An sich ist es keine große Überraschung, dass Qualifikationen zu einem wichtigen Thema in der Arbeitswelt geworden sind. In der letztjährigen Ausgabe dieser Studie mit dem Titel "Unravelling the Talent Conundrum" wurde festgestellt: Nur 36 % der Nicht-Führungskräfte sind der Meinung, dass ihr Arbeitgeber effektiv in die Entwicklung ihrer Fähigkeiten investiert. Dieses Thema rückt nun in den Fokus, denn das Tempo des Wandels ist aufrüttelnd: In den USA gab es bis 2023 über 305.000 Entlassungen – eine Zahl, die 2024 voraussichtlich noch übertroffen wird – und die recht plötzlich aufgetauchte generative KI hat das Potenzial, die Automatisierung in allen Sektoren massiv auszuweiten.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass doppelt so viele Befragte der diesjährigen Global Workforce of the Future-Umfrage sich bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber weiterbilden oder umschulen lassen wollen, als mit ihren derzeitigen Qualifikationen den Arbeitgeber wechseln wollen. Und angesichts der Schwierigkeiten, fertig ausgebildete Talente mit gefragten Qualifikationen zu rekrutieren, wären Arbeitgeber gut beraten, auf ihre Beschäftigten zu hören. In den meisten Fällen ist die Entwicklung interner Talente kosteneffizienter, als sich dem Recruiting-Wettbewerb um die benötigten Qualifikationen zu stellen – abgesehen von weiteren potenziellen Vorteilen wie höherem Engagement und stärkerer Loyalität.
Investition in die Zukunft
Anstatt diese Gelegenheit zu nutzen, um interne Talente zu entwickeln, reduzieren Unternehmen ihren Fokus auf Lernen und Entwicklung (L&D). Der jährliche Training Industry Report des Training Magazine hat ergeben, dass die durchschnittliche Anzahl der Weiterbildungsstunden pro Mitarbeiter*in von 62 im Jahr 2022 auf 57 im Jahr 2023 gesunken ist. Auch die Ausgaben für Weiterbildung pro Person scheinen zu sinken. (Die Untersuchung des Training Magazine gibt jedoch keinen Aufschluss über die Gründe für den Ausgabenrückgang).
Es ist zwar enttäuschend zu sehen, dass die Arbeitgeber auf die vorherrschende wirtschaftliche Unsicherheit offenbar mit einer Reduzierung der L&D-Angebote reagieren. Aber was sagt uns dies über die Haltung der Unternehmen in Bezug auf Qualifikationen? Zu viele Arbeitgeber betrachten L&D immer noch als Kostenfaktor, der reduziert wird, wenn der Gürtel enger geschnallt werden muss. Dabei ist L&D vielmehr ein Mittel gegen die Ursachen, die Kostensenkungen überhaupt erst notwendig machen.
In einer Zeit, in der Arbeitgeber Schwierigkeiten haben, Menschen mit den benötigten Qualifikationen zu rekrutieren, wichtige Talente zu binden und das Engagement der Mitarbeitenden aufrechtzuerhalten – vor allem bei den jüngeren Jahrgängen – hatten wir gehofft, dass sich ein kompetenzorientierter Ansatz als Lösung dieser Probleme durchsetzt. Wir sind jedoch nicht überrascht, dass sich unsere Hoffnungen noch nicht erfüllt haben. Für viele Unternehmen kann dieser Haltungswechsel nur durch einen umfassenden Wandel erfolgen, der L&D in den Mittelpunkt der Unternehmenskultur stellt. Das bedeutet, dass die Führungskräfte ihre Einstellung zu L&D und dessen Rolle in ihrem Unternehmen neu bewerten müssen.
Das wiederum bedeutet: Führungskräfte sollten mit positivem Beispiel vorangehen (und vor allem dabei sichtbar sein), damit sich eine kompetenzorientierte Kultur durchsetzen kann. Erfreulicherweise haben einzelne Führungskräfte die Bedeutung einer kompetenzorientierten Haltung und ihre Rolle bei deren Verwirklichung tatsächlich erkannt. In unserer Studie Bridging the Leadership Development Gap vom letzten Jahr stimmten 78 % der Vorstände zu, dass die Entwicklung von Führungskräften immer wichtiger wird, um das Engagement der Mitarbeitenden im Auge zu behalten und zu fördern. Ähnlich große Mehrheiten betonten die Bedeutung der Führungskräfteentwicklung für das Recruiting und die Bindung von Mitarbeitenden (79 %), die Umschulung (76 %) und die Entwicklung von Empathie und Mitgefühl (77 %).
Ein Blick auf die Führungskräfte von morgen
Wir sollten uns einen Moment Zeit nehmen, um über die Erwartungen der nächsten Generation von Bewerber*innen nachzudenken. Die oben erwähnte Studie von Gallup hat den gefühlten Mangel an Entwicklungsmöglichkeiten als einen der Gründe für das geringe Engagement unter jüngeren Arbeitnehmer*innen identifiziert. Diese Behauptung wird durch Untersuchungen der Muttergesellschaft von LHH, der Adecco Group, bestätigt. Jedes Jahr befragt die Adecco Group ehemalige und aktuelle Teilnehmende ihres „CEO for One Month“-Programms – diese Gruppe enthält naturgemäß einen hohen Anteil der Führungskräfte von morgen. In den vier Jahren, in denen diese Umfrage durchgeführt wurde, ist der Anteil derjenigen, die Soft Skills (wie z. B. Empathie und Mitgefühl, die von den Vorständen in Bridging the Development Gap identifiziert wurden) für zukünftige CEOs als wichtiger einschätzen als Hard Skills, von 69 % auf 81 % gestiegen.
Welcher Mix von Hard Skills in einem Team oder Unternehmen benötigt wird, wird sich in den kommenden Jahren schnell und überraschend ändern – schließlich haben nur wenige vorhergesehen, wie schnell KI-Kompetenzen unverzichtbar werden würden. Dennoch können wir mit Sicherheit voraussagen, dass Führungskräfte mit den zur Bewältigung dieses Wandels erforderlichen Soft Skills sehr gefragt sein werden. Die Unternehmen, deren Führungskräfte in die Lage versetzt wurden, die Belegschaft durch eine sich schnell wandelnde Kompetenzlandschaft zu führen, werden am erfolgreichsten aus dieser Transformation hervorgehen.
All dies ergibt ein Bild, das auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint. Die Bedeutung der Entwicklung von Führungskräften wird sowohl von den heutigen als auch von den zukünftigen Führungskräften erkannt – ebenso wie die Notwendigkeit, die Soft Skills in der gesamten Führungsetage zu verbessern. Warum also kürzen die Unternehmen bei den Weiterbildungsmaßnahmen?
Natürlich sind die spezifischen Belastungen in und für Unternehmen einzigartig, sodass jede Antwort auf diese Frage sehr pauschal ausfallen würde. Dennoch glauben wir, dass die vom Training Magazine genannten Kürzungen in den meisten Fällen eine kurzfristige Lösung für akute finanzielle Probleme darstellen. Das ist verständlich, aber wir empfehlen allen Arbeitgebern, die diesen Ansatz verfolgen, ihre Mitbewerber genau zu beobachten.
Wenn Sie bei der Ausbildung kürzen, während Ihre Mitbewerber eine kompetenzorientierte Kultur einführen, werden die Auswirkungen vielleicht in diesem oder im nächsten Jahr noch nicht sichtbar sein. Mittel- und langfristig werden die Unterschiede jedoch deutlich. Für wen werden die besten Talente und Führungskräfte der nächsten Generation arbeiten? Für den Arbeitgeber mit einem reduzierten Entwicklungsangebot? Oder für das Unternehmen, das ihnen hilft, die für die Zukunft entscheidenden Kompetenzen zu erwerben, damit sie weiterhin zum Erfolg des Unternehmens beitragen können? Das Unternehmen, das ihnen die Mittel an die Hand gibt, um ihre eigene Karriere zu gestalten? Oder das Unternehmen, das sie nur für eine Stelle haben will? Die Forschung zeigt, dass dies kein enger Wettbewerb sein wird.
Die besten Talente und Führungskräfte der Zukunft werden sich nicht auf Versprechungen von geplanten Maßnahmen einlassen. Sie wollen jetzt (!) sehen, dass die Führungskräfte ihres künftigen Arbeitgebers ihre Entwicklung ernst nehmen und sensibel mit dem Thema umgehen. Für viele Unternehmen ist das etwas völlig Neues.
Die Perspektive von LHH
Schauen Sie sich noch einmal das Bild an, das wir zu Beginn dieses Artikels gezeichnet haben: Arbeitnehmer*innen wünschen sich, dass Führungskräfte sich stärker für ihre Entwicklung einsetzen. Viele haben nicht den Eindruck, dass ihr Arbeitgeber effektiv in ihre Entwicklung investiert. Wenig überraschend ergab die diesjährige Umfrage, dass weniger als eine*r von zehn Jobsuchenden eine neue Rolle beim derzeitigen Arbeitgeber anstrebt. Als Anekdote am Rande können die meisten von uns mindestens ein Beispiel aus ihrer beruflichen Laufbahn nennen, in dem ein Arbeitgeber das Ausscheiden eines hochrangigen Teammitglieds als eine Art Verrat betrachtete – und nicht als natürliche Folge der Tatsache, dass das Bedürfnis dieser Person nach persönlicher und beruflicher Weiterentwicklung nicht erfüllt wurde.
Wenn wir über den Kulturwandel sprechen, der notwendig ist, um die Erwartungen der nächsten Generation von Arbeitnehmer*innen und Führungskräften zu erfüllen, dann meinen wir genau das. Ein Teammitglied verlässt das Unternehmen, um eine attraktive neue Stelle anzutreten? Das sollte ein Grund zum Feiern und nicht zum Tadeln sein. Denn es bedeutet, dass diese Person gut entwickelt und geführt wurde. Anstatt den Verlust wichtiger Talente zu beklagen, die sich neuen Chancen zuwenden, müssen Führungskräfte diese Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens unterbreiten – was natürlich bedeutet, dass sie ihre Mitarbeitenden mit den entsprechenden Kompetenzen ausstatten.
Dafür muss eine Kultur geschaffen werden, in der jede*r Mitarbeiter*in, jede Führungskraft und das Management bis zu einem gewissen Grad ein*e L&D-Manager*in ist. Eine Kultur, in der neue Mitarbeitende sehen können, wie sich die Führungskräfte auf die kommenden Herausforderungen vorbereiten, und in der sie ermutigt werden, es ihnen gleichzutun. Kurz gesagt: Eine Kultur, in der Qualifikationen an erster Stelle stehen, muss mit der Entwicklung von Führungskräften beginnen.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Entwicklung einer kompetenzorientierten Kultur für viele Unternehmen ein großes Unterfangen ist – aber es ist ein wichtiges Unterfangen. Der Unternehmensdiskurs wird seit fast einem Jahrzehnt von der digitalen Transformation beherrscht. Wir bei LHH sind der Meinung, dass dieser Fokus auf die Technologie, die die Agenda der digitalen Transformation vorantreibt, in den kommenden Jahren einem neuen Fokus weichen wird: dem Fokus auf die Kompetenzen, die erforderlich sind, um das Beste aus den bereits getätigten (und künftigen) Investitionen zu machen. Mit dieser Ansicht stehen wir nicht allein da: Wir stimmen mit den 78 % der Vorstände überein, die uns letztes Jahr sagten, dass sie die Entwicklung von Führungskräften als zunehmend entscheidend für das Überleben ihres Unternehmens ansehen.
Weitere Erkenntnisse aus unserer Studie "Global Workforce of the Future" finden Sie hier.
Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie LHH Ihr Unternehmen bei der Entwicklung einer kompetenzorientierten Kultur unterstützen kann, nehmen Sie gern Kontakt mit uns auf.
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